WC Rufanlagen

WC-Ruf, WC-Rufanlagen, WC-Set, Notrufanlagen, Rufanlagen oder einfach nur Klingel sind alles Bezeichnungen für eine sicherheitstechnische Einrichtung: Der WC-Ruf im barrierefreien Bauen nach DIN 18040-1 und DIN VDE 0834-1. Mit der Fachinformation „WC-Ruf“ wende ich mich an Architekten, Elektroplaner, Elektrounternehmen als Errichter und nicht zuletzt auch an die Betreiber von Rufanlagen im barrierefreien Bauen.

Ruftaster
Ruftaste mit erhabenem Glockensymbol

Die Bezeichnung

In der Vergangenheit und umgangssprachlich teilweise auch noch heute, werden barrierefreie Sanitärräume als „Behinderten WC“ bezeichnet. Ein behindertengerechtes Bauen bezieht sich jedoch speziell auf die individuellen Bedürfnisse einer Person und nicht auf die Allgemeinheit.

„Barrierefrei zu bauen heißt, für alle zu bauen …“

Da sich WC-Rufanlage nur in öffentlich zugänglichen WCs befinden müssen, handelt es sich somit um barrierefreie Sanitäreinrichtungen.
Aus diesem Grund sprechen wir von „Barrierefreien Sanitärräumen“

Barrierefreies WC
WC-Schild mit Brailleschrift

Rechtsvorschriften und technische Normen

  • Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Die Grundlagen für das barrierefreie Bauen basieren auf Artikel 3, Absatz 3, Satz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Die Betreiber von Gebäuden haben im Zuge ihrer „Betreiberverantwortung“ die Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Schadenseintritte abzuwenden. Artikel 14, Absatz 2 GG

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Artikel 9: (1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.

  • Behindertengleichstellungsgesetz – BGG

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“

  • Musterbauordnung MBO

Die Musterbauordnung dient als Grundlage der jeweiligen Landesbauordnungen LBO. Hierin bestehen bezüglich der Barrierefreiheit Unterschiede.

„Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

„Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein. Dies gilt insbesondere für
1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,
2. Sport- und Freizeitstätten,
3. Einrichtungen des Gesundheitswesens,
4. Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,
5. Verkaufs-, Gast- und Beherbergungsstätten,
6. Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.
Für die der zweckentsprechenden Nutzung dienenden Räume und Anlagen genügt es, wenn sie in dem erforderlichen Umfang barrierefrei sind. Toilettenräume und notwendige Stellplätze für Besucher und Benutzer müssen in der erforderlichen Anzahl barrierefrei sein.“

  • Allgemein anerkannte Regeln der Technik (a. a. R. d. T.)

Die deutsche Norm DIN 18040-1:2010-10 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude, kann (seit über 10 Jahren) nach nahezu allgemeiner Meinung als „allgemein anerkannte Regel der Technik“ bezeichnet werden.

  • DIN 18040-1: 2010-10, Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude (derzeit in Überarbeitung)

Notrufanlage in Sanitärräumen
In der Nähe des WC-Beckens muss eine Notrufanlage angebracht werden. Sie muss visuell kontrastierend gestaltet, taktil erfassbar und auffindbar und hinsichtlich ihrer Funktion auch für blinde Menschen eindeutig gekennzeichnet sein.
Der Notruf muss vom WC-Becken aus sitzend und vom Boden aus liegend ausgelöst werden können.

  • DIN VDE 0834-1: 2016-05, Rufanlagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen (derzeit in Überarbeitung)

Der Mindeststandard an die Sicherheit von Rufanlagen wird in der DIN VDE 0834 beschrieben. Hierzu zählen auch die WC-Notrufanlagen im barrierefreien Bauen, wie diese in der DIN 18040-1 beschrieben werden.

Diese Norm (DIN VDE 0834) gilt für Rufanlagen in:
a)  Krankenhäusern, Pflegeheimen, Pflegestationen,
b)  Alten- oder Seniorenwohnheimen, Reha-Einrichtungen,
c)  öffentlich zugänglichen Behinderten WCs, (noch alte Bezeichnung)
d)  psychiatrischen und forensischen Einrichtungen,
e)  Justizvollzugsanstalten
und in allen vergleichbaren Einrichtungen

Schlussfolgerung

Jeder Betreiber von barrierefreien Sanitärräumen, welche öffentlich zugänglich sind, ist im Rahmen seiner Betreiberverantwortung angehalten, hierin eine WC-Rufanlage nach DIN 18040-1 und DIN VDE 0834 zu betreiben. Alles andere ist haftungsrechtlich unkalkulierbar.

Technische und organisatorische Anforderungen an diese WC-Rufanlagen

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit müssen, grob zusammengefasst, folgen Anforderungen an die WC-Rufanlage erfüllt werden:

  • Dort, wo sich hilfebedürftige Personen in einem barrierefreien Sanitärraum aufhalten, muss eine Möglichkeit zur Rufauslösung vorhanden sein, Details hierzu beschreibt auch die DIN 18040-1
  • Die Rufauslösung muss flurseitig durch eine Zimmersignalleuchte mit einem Leuchtfeld in der Farbe Rot optisch signalisiert werden
  • Das hilfeleistende Personal muss unmittelbar und jederzeit akustisch und ggfs. auch optische über den WC-Ruf informiert werden
  • Eine Rufabstellung darf nur im Raum der Rufauslösung erfolgen, Ausnahme in Systemen mit Sprachkommunikation
  • Die WC-Rufanlage muss durch einen „Fachplaner für Rufanlagen“ bzw. durch eine „Fachkraft für Rufanlagen“ geplant werden.
  • Der Errichter der WC-Rufanlage muss die Qualifikation zur „Fachkraft für Rufanlagen“ besitzen und deren Konformität zur DIN VDE 0834 bescheinigen
  • Die WC-Rufanlage muss über physikalisch eigene Übertragungswege (z.B. Kuper -oder Lichtwellenleiter) verfügen
  • Die WC-Rufanlage muss sich selbst überwachen und jegliche Störungen unverzüglich melden, bei einem Totalausfall auch über externe Systeme außerhalb der Rufanlage
  • Die Energieversorgung muss fest an einen eigenen Stromkreis angeschlossen werden. Zum Abschalten ist ein allpoliger Schalter erforderlich. Dieser Stromkreis muss keinen oder einen separaten Fehlerstromschutzschalter (RCD) besitzen.
  • Die WC-Rufanlage benötigt eine Erstsatzstromversorgung (in der Praxis meist eine USV) für mind. 1 Stunde, deren Umschaltung vom Normalbetrieb auf Ersatzbetrieb gemeldet werden muss
  • Die WC-Rufanlage muss entsprechend der DIN VDE 0834-1, in Verantwortung des Betreibers, instand gehalten werden (Wartung, Inspektion, Instandsetzung)

Diese Anforderungen erscheinen manchem Betreiber vielleicht übertrieben, aber Rufanlagen ohne diesen Mindeststandard an die Sicherheit haben Menschen schon nachweislich das Leben gekostet. Nicht nur aus juristischer Sicht ist es für jeden Betreiber der Supergau, wenn bspw. morgens eine verstorbene Person in einem barrierefreien Sanitärraum gefunden wird und die Rufanlage nicht funktionierte bzw. nicht vorhanden war.

Die Umsetzung

Die Planung, Beschaffung und Installation einer solchen Rufanlage ist vordergründig keine Herausforderung. Diese WC-Rufanlagen werden als „Set“ von verschiedenen Anbietern am deutschen Markt angeboten. Kostenpunkt ca. 250 Euro bis 500 Euro und in der Beschreibung wird gelegentlich auch das Wort DIN erwähnt. Jetzt nur noch den Elektriker beauftrage, montieren, anklemmen und in Betrieb nehmen, fertig. Rote Taste schaltet die rote Leuchte mit einem Summer an und die grüne Taste stellt beides wieder ab. Fertig, funktioniert.
Von den Punkten der zuvor beschriebenen Aufzählung oder der Norm DIN VDE 0834 hat der Elektriker vielleicht noch nie etwas gehört. Ist ja nur eine WC-Klingel und wird ja auch so „von großen Unternehmen“ verkauft.

WC-Rufanlage montieren

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Eine Gefahr für Nutzer und Betreiber:

Ungeeignete Apparatur

Die installierte Rufanlage besitzt nicht den erforderlichen Mindeststandart an die Sicherheit, entspricht also nicht der DIN VDE 0834. Für 250 Euro werden Sie das auch nicht bekommen, auch wenn der Anbieter beschreibt, dass sein Netzgerät auf eine DIN-Hutschiene geklemmt werden kann. Eine fertige Rufanlage nach DIN VDE 0834 können Sie nicht im Set kaufen, diese muss immer vor Ort durch eine „Fachkraft für Rufanlagen“ aus einzelnen Komponenten zusammenbauen und an die jeweiligen Verhältnisse angepasst werden.

Fehlende Qualifikation

Der Errichter diese Rufanlage muss aufgrund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnisse der einschlägigen Normen, Bestimmungen und Richtlinien seine Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen können. Hierzu ist für die Elektrofachkraft die Zusatzqualifikation „Fachkraft für Rufanlagen“ zwingend erforderlich, ohne Wenn und Aber.

Meldewege und Erreichbarkeit

In Einrichtungen, in denen bereits Rufanlagen betrieben werden, können barrierefreie Sanitärräume auf vorhandene Rufsysteme aufgeschaltet werden. Das ist fast immer zu empfehlen, da hier bestehende Meldewege für Störungen und ggfs. auch Energieversorgungen mit genutzt werden können. Diese Situationen finden wir jedoch meist nur in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Einrichtungen des Strafvollzugs.

Schwieriger wird es in Schulen, Kaufhäusern, Rathäusern, Sportstätten oder Arztzentren.

Hier wird meist eine Leuchte über der Tür mit einem akustischen Signalgeber montiert und vielleicht auch noch eine abgesetzte Signalisierung. Außerhalb der Dienstzeit kann der Ruf auch schon mal „ins Leere“ laufen. Das ist nicht die Regel, kann aber durchaus vorkommen.

Professionelle Planung von WC-Rufanlagen

Bevor überhaupt mit der Beschaffung einer WC-Rufanlage begonnen wird, muss sich der Betreiber (ggfs. in Verbindung mit einem Fachplaner) über die örtliche und personelle Situation im Klaren sein. Hier einige Beispiele ohne Anspruch auf Vollzähligkeit:

Fachplaner für Rufanlagen
  • Wer ist überhaupt der verantwortliche Betreiber dieses barrierefreien Sanitärraumes?
  • An welchen Tagen und in welcher Zeit könnte der barrierefreie Sanitärraum genutzt werden?
  • Welche Personen(-Gruppen) sind in dieser Zeit immer oder wechselseitig vor Ort?
  • Wer davon ist in der Lage, im Notfall Hilfe zu leisten bzw. Hilfe herbeizuholen?
  • An welchen Orten im Gebäude können diese Personen von der Rufanlage sicher erreicht werden?
  • Wie wird sichergestellt, dass immer min. eine Person im Gebäude von der WC-Rufanlage erreicht wird?
  • Wer kontrolliert vor dem Verschluss des Gebäudes, ob sich niemand mehr in den barrierefreien Sanitärräumen befindet?

Wenn diese Punkte sicher herausgearbeitet wurden, kann mit der Planung begonnen werden. Wir wissen, wohin und welche Personen(-Gruppen) zu alarmieren sind.

Sonderfälle der Planung von WC-Rufanlagen

 Die Norm für DIN VDE 0834 „Rufanlagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtung“ geht davon aus, dass sich jederzeit (Pflege-)Personal vor Ort in der Einrichtung befindet. Das ist bei bestimmten Objekten, in denen sich ein oder auch mehrere barrierefreie Sanitärräume befinden anders. In Ärztehäusern, in öffentlichen WC auf dem Marktplatz oder auch in Bahnhöfen ist nicht immer Personal vor Ort. Somit können auch die zu benachrichtigenden Personen(-Gruppen) nicht über physikalisch eigene Übertragungswege (z.B. Kuper -oder Lichtwellenleiter) alarmiert werden. Hier müssen wir auf möglichst sichere Alternativen zurückgreifen. Die Meldung des Rufes aus dem barrierefreien Sanitärraum muss das Objekt verlassen und an einer geeigneten Stelle entgegengenommen werden. Diese Lösung widerspricht derzeit noch der DIN VDE 0834, ist jedoch alternativlos. Jetzt muss das Rad nicht neu erfunden werden, sondern wir können bereits vorhandene Systeme nutzen.

Das könnten sein:

  • Empfangszentralen von Personen-Hilferufanlagen (Hausnotruf)
  • Empfangszentralen von Aufzugs-Notruf-Anlagen
  • Empfangszentralen von Wachdiensten
  • Sonstige, ständig besetzte Empfangszentralen

In diesen Sonderfällen ist vor Ort im barrierefreien Sanitärraum eine Rufanlage nach DIN VDE 0834 installiert, die Rufe lokal meldet und zusätzlich einen externen Service-Dienstleister benachrichtigt. Dieser informiert entsprechende Personen nach einem vorher festgelegten Ablaufplan.

Im Normengremium für Rufanlagen, dem der Unterzeichner angehört, habe wir die beschriebenen Sonderfälle in der DIN VDE 0834, Ausgabe 2016, nicht ausreichend betrachtet. In der nächsten Ausgabe werden wir diese Sonderfälle entsprechend berücksichtigt.

Fazit

WC-Rufanlagen in öffentlich zugänglichen, barrierefreien Sanitärräumen müssen den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ und somit den Anforderungen der DIN 18040-1 sowie der DIN VDE 0834-1 vollumfänglich entsprechen. WC-Rufanlagen müssen durch eine „Fachkraft für Rufanlagen“ installiert, geprüft und abgenommen werden.
Bei der Planung ist ein besonderes Augenmerk auf die ständige Empfangsbereitschaft des Personals zu legen, damit ausgelöste Rufe und Störmeldungen organisatorisch nicht „verloren gehen“.
Das verbauen von handelsüblichen Rufanlagen WC-Sets durch einen Elektriker ohne entsprechende Qualifikation zur „Fachkraft für Rufanlagen“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später zu einem „Ereignis“ führen.

Weitere Informationen

Leitfaden Barrierefreies Bauen, Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen

nullbarriere.de, Berlin

Planungshandbuch Barrierefreiheit, Institut für evidenzbasierte Architektur im Gesundheitswesen

Sachverständiger für barrierefreies Planen und Bauen, Ralph Ziemann

Sparwahn mit Todesfolge, ein Artikel aus „Elektro Praktiker“

Frank Kohl
Frank Kohl

Frank Kohl

Sachverständiger für Rufanlagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Justizvollzugsanstalten, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK zu Köln

https://rufanlagen.info